Chung
  ¡ìIch tanze, Herr, wenn du mich fuhrst!¡í
  

Auftrag, 43 Jg. 2009

¡ìIch tanze, Herr, wenn du mich fuhrst!¡í

Als Germanistikstudentin habe ich deutsche Minnegesange aus dem Mittelalter gern gehabt, weil ich mich fur die Idee der romantischen Liebe der Ritter interessierte. Als Theologin fasziniert mich die Frauenmystik des Mittelalters aus verschiedenen Grunden. Einer ist der Begriff ¡ìMinne¡í, der bei der Frauenmystik mit seinem besonderen Bezug zur Einheit mit Gott (Unio Mystica) eine wichtige Rolle gespielt hat.

Aus Anlass des 800-Jahr-Jubilaums habe ich diesen Sommer Magdeburg besucht, um nach Spuren Mechthild von Magdeburgs zu suchen. Ich interessiere mich fur Mechthild, aber nicht, um sie als Heilige zu verehren wie die Katholiken. Ich bin bewusst reformierte Theologin und stolz darauf. Frauen wie Mechthild haben jedoch bereits in ihrer Zeit als Bahnbrecherinnen den Weg fur die Reformation vorbereitet. Die Beginenbewegung, in der Mechthild eine zentrale Rolle spielte, hat Wort und Tat, ¡ìvita contemplativa¡í und ¡ìvita activa¡í, harmonisch verbunden. Ihr Glaube hat sie dazu ermachtigt, ihre konkrete Arbeit wie Armenpflege und diakonische Aufgaben zu erfullen. 

Die uns schriftlich uberlieferte Frauenmystik war in gewissem Sinne Ausdruck des Widerstandes gegen ein hierarchisches, patriarchales Systems – und eine Starkung der lebensumfassender Kraft. Weil Frauen von der theologischen Ausbildung und der Leitung der Kirche ausgeschlossen waren, hatten sie keine wirkliche Chance, innerhalb der etablierten Kirche ihre Stimme zu erheben. Bei Mechthild war es nicht viel anders: Sie hatte keine theologische Grundausbildung und konnte kein Latein. Sie konnte ¡ìnur¡í besondere Gotteserfahrungen, – wenn man so will charismatische Erfahrung–, die sehr lebensbezogen und lebensbejahend waren, vorweisen. In Zeiten von Pest- und anderen Epidemien, Hungersnot und Armut hat sie in besonderer Weise Zeugnis fur eine konkrete Hoffnung abgelegt, die nie abstrakt wird. Dank eines Beichtvaters, der sie sehr ermutigt hatte, ihre Erfahrungen schriftlich festzuhalten, ist es ihr Kraft der Schrift gelungen, sich im Glauben auch mit den Menschen des 21. Jahrhunderts zu verbinden.

Bereits der Titel ihres Werkes ¡ìDas fliessende Licht der Gottheit¡í beinhaltet die Bewegung Gottes zu den Menschen hin. Dieses Licht, das die menschgewordene Liebe Gottes ist, ist selber in die Fremde, auf diese Welt gekommen. In ihm liegt der Ursprung einer Bewegung, die der Grundstein christlicher Identitat ist und die auch einladt, uns mit Gottes Hilfe, auf konkretes Handeln hin zu bewegen. Dies ist besonders aus einem Zitat Mechthilds ersichtlich, in dem vom ¡ìTanz der Seele mit Christus¡í die Rede ist. ¡ìIch tanze, Herr, wenn du mich fuhrst! Soll ich sehr springen, musst du selber vorsingen. Dann springe ich in die Minne, von der Minne in die Erkenntnis, von der Erkenntnis in den Genu©¬, vom Genu©¬ uber alle menschlichen Sinne. Dort will ich verbleiben und doch hoher kreisen.¡í Erfahrung mit Gott ist lebensschaffende und lebensbejahende Energie. Der Hohepunkt dieser Einheit mit Gott erlaubt, die Liebe Gottes mit anderen zu teilen.

In zahlreichen Begegnungen mit Frauen der so genannten Dritten Welt fand ich dies immer wieder bestatigt. Bei diesen Frauen, die in vielfaltigen Bereichen ahnliche sozial-kirchliche Benachteilungen erdulden mussen wie die Frauen des Mittelalters, sah ich eine gewisse Affinitat zur Frauenmystik. Denn ihre Gotteserfahrungen bringen sie in Bewegung auf ein Leben in Fulle hin, auch wenn sie selber in der Fulle des Leidens leben. Sie leisten und meistern trotz schwieriger Lebensumstande mit knappen Mittel zahllose konstruktive Dinge und sind zum gottgeschenkten Leben hin orientiert. Aus Mangel an Ermutigung und als Folge ihrer vorwiegend mundlichen Kultur haben sie wenig Gelegenheit, ihre Erfahrung selber zum Ausdruck zu bringen. Wer konnte die Rolle des ¡ìBeichtvaters¡í ubernehmen, der sie wie Mechthild zum Schreiben ermutigt? Wenn wir ihre vielfaltigen, farbigen Erfahrungen, die Tanz, Gesange und andere korperliche Kommunikationskulturformen umfassen, schriftlich bekommen konnten, dann konnten wir auch mehr teilhaben an ihren konkreten Glaubens- und damit verbundenen Lebenserfahrungen und sie mit einem breiteren Publikum auf dieser Erde teilen.

[ÀμâÇϱâ] 2017-10-30 14:22:10


     
  


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